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Hohes Rechtsgut Freiheit: Jede einzelne Fixierung über 30 Minuten ist als Freiheitsentziehung reine Richtersache

Das Freiheitsrecht ist hierzulande ein hohes Gut und darf nur in Ausnahmefällen entsprechend eingeschränkt werden. Und über solche Ausnahmen, in denen ein Mensch durch derlei Maßnahmen entweder vor sich selbst geschützt werden soll oder seine Umwelt vor ihm, entscheiden in Deutschland zum Glück die Gerichte. Ein ebenso hoch zu schätzender Umstand ist es, dass sich Verfahrenspfleger der Wahrung des Freiheitsrechts jener Menschen annehmen, die dazu selbst nicht in der Lage sind. Ein solcher Verfahrenspfleger legte sich dazu nun sogar mit dem Land Baden-Württemberg an - und zwar mit Erfolg!

Die sogenannte Fünf-Punkt-Fixierung ist die Fesselung aller Extremitäten sowie des Bauchbereichs an ein Krankenbett. Und genau um diese ging es in dem Fall eines Patienten, der in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung untergebracht war. Dessen Fixierung war über mehrere Tage wiederholt ärztlich angeordnet worden, wogegen sich sein Verfahrenspfleger wandte. Er erhob unmittelbar Verfassungsbeschwerde gegen den die Fixierung anordnenden amtsgerichtlichen Beschluss sowie mittelbar gegen § 25 Abs. 3 des baden-württembergischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten, auf dessen Grundlage der Beschluss erging. Und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) teilte die Meinung des engagierten Verfahrenspflegers.

Die einschlägige Vorschrift des Landes Baden-Württemberg ist verfassungswidrig. Der baden-württembergische Gesetzgeber - der bisher keine spezielle Regelung für Fixierungen vorsah - wurde seitens des BVerfG verpflichtet, bis zum 30.06.2019 einen entsprechend verfassungsgemäßen Zustand herzustellen. Denn die Fixierung eines Patienten stellt einen Eingriff in dessen Grundrecht auf Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz (GG) dar. Und dieses Freiheitsrecht ist ein besonders hohes Rechtsgut.

Ob ein Eingriff in die persönliche Freiheit vorliegt, hängt lediglich vom tatsächlichen, natürlichen Willen des Betroffenen ab. Schutz ist daher auch dem psychisch Kranken und nicht voll Geschäftsfähigen garantiert. Eine Freiheitsentziehung als schwerste Form der Freiheitsbeschränkung liegt vor, wenn die Bewegungsfreiheit nach jeder Richtung hin aufgehoben wird. Sie setzt eine besondere Eingriffsintensität und eine nicht nur kurzfristige Dauer (länger als 30 Minuten) voraus. Jede einzelne Freiheitsentziehung unterliegt dem Richtervorbehalt nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG und ist nicht etwa von einer bereits vorliegenden richterlichen Unterbringungsanordnung gedeckt.

Hinweis: Bei einer nicht nur kurzfristigen Fixierung von Patienten in öffentlich-rechtlichen Unterbringungen handelt es sich also um eine Freiheitsentziehung, die einem Richtervorbehalt unterliegt. Vor allem Pflegekräfte sollten dieses Urteil beherzigen, da schnell eine Strafbarkeit entstehen kann.


Quelle: BVerfG, Urt. v. 24.07.2018 - 2 BvR 309/15
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 10/2018)

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