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Im Wohnheim verbrüht: BGH präzisiert Schutzpflichten vor Gefahrenlagen für Menschen mit geistiger Behinderung

Wer Angehörige in einem Wohnheim hat, sollte das folgende Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) kennen. Denn was Gefährdungen von Schutzbefohlenen angeht, wurde hier ausdrücklich auf die unverzichtbaren Pflichten der betreuenden Institutionen anhand einer existierenden DIN-Norm hingewiesen.

Eine geistig behinderte Frau lebte in einem Wohnheim. Sie wollte dort ein Bad nehmen und fragte eine der Betreuerinnen des Heims um eine entsprechende Erlaubnis, so wie diese ihr auch schon mehrmals vorher erteilt wurde. Sie ließ daraufhin ein heißes Bad ein, wobei die Temperaturregelung über einen Einhebelmischer ohne Begrenzung der Heißwassertemperatur erfolgte. Etwas war jedoch anders als in früheren Fällen: Das ausströmende Wasser war so heiß, dass die Frau schwerste Verbrühungen an beiden Füßen und Unterschenkeln erlitt, woraufhin mehrere Hauttransplantationen durchgeführt werden mussten. Zwischenzeitlich ist die Frau auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie machte nun geltend, dass das Wasser an die 100 °C heiß gewesen sein muss. In der DIN EN 806-2 für die Planung von Trinkwasserinstallationen wird für bestimmte Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen und Seniorenheime jedoch eine Höchsttemperatur von 43 °C, in Kindergärten und Pflegeheimen sogar von nur 38 °C empfohlen. Die Frau verlangte ein Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere materielle und immaterielle Schäden.

Der BGH hat die Angelegenheit zur Entscheidung zwar an das vorinstanzliche Berufungsgericht zurückverwiesen - die Heimbewohnerin wird jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit Geld erhalten. Denn der Heimbetreiber hatte die Pflicht, ihm anvertraute Bewohner vor Gefahren zu schützen, die sie nicht beherrschen. Hier konnte die Heimbewohnerin erwarten, dass der Heimträger sie vor einer in einer DIN-Norm beschriebenen Gefahrenlage schützt, wenn man selbst aufgrund körperlicher bzw. geistiger Einschränkungen nicht in der Lage ist, die Gefahr eigenverantwortlich zu erkennen und angemessen auf sie zu reagieren. Genau das war hier der Fall gewesen.

Hinweis: Ein Heimbewohner und dessen Angehörige können also erwarten, dass der Heimträger den Betreuten vor einer Gefahrenlage schützt, die alltäglich auftreten kann, so dass sie standardisiert sogar in eine DIN-Norm aufgenommen wurde.


Quelle: BGH, Urt. v. 22.08.2019 - III ZR 113/18
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 11/2019)

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