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Verschwundenes Ehegattentestament: Bei fehlendem Nachweis der Vernichtung in Widerrufsabsicht ist Testamentskopie gültig

Ein Testament kann durch den Erblasser dadurch widerrufen werden, dass er die Testamentsurkunde vernichtet. Ob ein somit gültiger Widerruf allein schon deshalb vermutet werden darf, weil das Originaldokument nicht aufgefunden werden kann, musste im Fall eines gemeinschaftlichen Testaments im Folgenden das Oberlandesgericht München (OLG) entscheiden.

Innerhalb von wenigen Tagen verstarb zunächst die Ehefrau und dann der Ehemann. Nach ihrem Tod wurde die Fotokopie eines Testaments gefunden, in dem sie sich gegenseitig zu Erben einsetzen und nach beider Tod als Schlusserben die zwei Töchter des Ehemannes aus erster Ehe zu je 1/4 und den Neffen der Ehefrau zur Hälfte. Vor Gericht stritt man nun darüber, ob das Originaltestament absichtlich zerstört und damit widerrufen wurde, so dass dadurch die gesetzliche Erbfolge eingetreten war.

Das OLG war nicht davon überzeugt, dass die Ehegatten das Testament in Widerrufsabsicht vernichtet hatten, so dass es dieses als wirksam ansah. Es wies darauf hin, dass im Fall der Unauffindbarkeit eines Testaments keine Vermutung dafür bestünde, dass das Testament durch den Erblasser vernichtet worden sei. Dass die Unterlagen des Ehepaars ansonsten geordnet waren und sie gegenüber Dritten geäußert hätten, den Neffen nicht länger als Erben einsetzen zu wollen, war für das OLG nicht ausreichend, um die Widerrufsabsicht zu beweisen - insbesondere, da kein neues Testament errichtet worden war. Somit erbte nach dem Testament auch der Neffe und nicht nur die Töchter des Ehemannes durch die gesetzliche Erbfolge.

Hinweis: Da ein gemeinschaftliches Testament wechselbezügliche Verfügungen enthält, kann ein wirksamer Widerruf nur erfolgen, wenn die Ehegatten die Verfügung gemeinsam mit Testierwillen in Widerrufsabsicht vernichtet haben. Selbst eine spätere "Genehmigung" einer einseitigen Zerstörung wäre daher nicht möglich. Diese strengen Anforderungen sollen davor schützen, dass einer der Ehegatten das Testament allein und ohne Kenntnis des anderen vernichtet.


Quelle: OLG München, Beschl. v. 31.10.2019 - 31 Wx 398/17
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 01/2020)

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