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 [Inhalt] Man kennt sich: Ein vollständiges Gericht erklärt sich im Scheidungsverfahren der Kollegin für befangen Liest man in der öffentlichen Berichterstattung etwas über die Befangenheit von Richtern, handelt es sich dabei meist um einen von anderer Seite vorgetragenen Vorwurf. Im Folgenden aber ging es dabei um ein ehrliches Eingeständnis - und zwar von gleich allen Richtern eines ganzen Amtsgerichts (AG). Denn besonders in kleineren AG heißt es schnell: Man kennt sich. Was in einem derartigen Fall zu tun ist, klärte schließlich das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG). Eine Richterin, die am AG Ettlingen tätig ist, wollte sich scheiden lassen. Der dafür zuständige Richterkollege in Ettlingen gab das Verfahren ab, weil er sich in dieser Sache selbst für befangen erklärte. Er arbeite einfach zu nah mit der Kollegin zusammen, man vertrete sich gegenseitig und ist deswegen in ständigem Austausch. Die übrigen Richter wiederum wollten nicht über diese Selbstanzeige entscheiden, weil sie durch die gemeinsamen Mittagspausen, Kaffeerunden und die familiäre Zusammenarbeit allgemein selbst befangen seien. Eine neutrale Entscheidung sei in dieser Angelegenheit also nicht möglich. Und so legte der Direktor des AG das Ganze gem. § 113 Abs. 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit , § 45 Abs. 3, § 48 Zivilprozessordnung dem OLG vor, damit dieses das nunmehr zuständige Gericht bestimmt. Das OLG erklärte das Amtsgericht in Karlsruhe-Durlach für zuständig. Das OLG bestätigte zudem, dass alle Selbstanzeigen der Befangenheit begründet waren. Dies sei immer dann der Fall, "wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit zu rechtfertigen". Bei einer sehr engen beruflichen Zusammenarbeit kann man bei einem kleinen AG mit fünf Richtern in der Tat von einer Befangenheit ausgehen. Hinweis: Das ist ein außergewöhnlicher Fall. Die Befangenheit eines Richters kommt aber schon häufiger vor. Haben Sie mal ein ungutes Gefühl, fragen Sie sich, ob Sie objektive Gründe haben, an der Neutralität des Richters zu zweifeln. Falls ja, dann können Sie als Partei, gegebenenfalls über Ihren Rechtsanwalt, einen Befangenheitsantrag stellen. Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 03.06.2025 - 20 UFH 1/25 
 (aus: Ausgabe 11/2025) 
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