[Inhalt] 196 Tage Nutzungsausfall: Verzögerungstaktik wird für Versicherung zur teuren Angelegenheit Gut ist es, im Ernstfall versichert zu sein. Blöd ist es, wenn die gegnerische Versicherung die Regulierung eines unverschuldeten Schadens nicht nur in die Länge zieht, sondern auch noch versucht, dem Geschädigten den ein oder anderen Schwarzen Peter zuzuschieben. Gut Ding wollte hier nicht nur Weile haben, sondern wurde dank des Landgerichts Osnabrück (LG) letztlich zu einer richtig teuren Angelegenheit für den Versicherer. Ein Autofahrer erlitt mit seinem sehr hochwertigen Fahrzeug einen Verkehrsunfall. Die Erklärung der Kostenübernahme durch die gegnerische Versicherung zog sich dann über einen sehr langen Zeitraum. Erst wurde eingewandt, dass der Unfallhergang unklar sei. Dann wurde eine Dash-Cam-Aufzeichnung übermittelt, deren Daten angeblich nicht verwertbar seien, so dass der Versicherer die Freigabe der Kostenübernahme nicht erteilte. Schließlich wurde seitens der Versicherung nach geraumer Zeit ein eigener Gutachter eingesetzt. Als die Kostenübernahme daraufhin endlich erfolgte, wurde dann auch der Reparaturauftrag erteilt. Aufgrund organisatorischer Probleme zog sich auch noch die anschließende Reparatur in die Länge. Neben anderen Forderungen machte der Geschädigte daraufhin Nutzungsausfallentschädigung für 196 Tage à 175 EUR pro Tag geltend - also satte 34.300 EUR. Die Versicherung verweigerte die Zahlung mit dem Hinweis, der Mann hätte sich ein Interimsfahrzeug anschaffen können oder seine Vollkaskoversicherung in Anspruch nehmen müssen. Das LG gab dem Geschädigten recht. Zwar sei es richtig, dass unter normalen Umständen nicht immer auf die Kostenübernahme der Versicherung gewartet werden dürfe. Hier aber habe der Geschädigte bereits mit der Schadensmeldung darauf hingewiesen, dass er selbst die Reparatur nicht vorfinanzieren könne. Einwendungen seitens der Versicherung erfolgten daraufhin nicht. Zudem habe die Versicherung die Regulierung wegen unterschiedlicher Schadensschilderungen abgelehnt, so dass zu befürchten war, dass nicht alles erstattet werde. Auch musste die Vollkaskoversicherung nicht in Anspruch genommen werden - deren Sinn und Zweck sei schließlich nicht die Entlastung des Schädigers. Dabei sei zudem zu berücksichtigen, dass der Verlust der günstigen Schadensfreiheitsklasse gedroht hätte. Zu guter Letzt habe sich der Geschädigte auch kein Interimsfahrzeug anschaffen müssen. Schließlich sei gar nicht absehbar gewesen, dass sich die Regulierung so lange hinziehen würde. Auch die Verzögerung der Reparatur konnte der Geschädigte nicht beeinflussen. Hinweis: Das Oberlandesgericht Schleswig hat in einer Entscheidung vom 16.04.2024 (7 U 109/23) entschieden, dass der Geschädigte sich im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht dann ein Interimsfahrzeug anzuschaffen hat, wenn ein längerer Nutzungsausfall aufgrund einer sich verzögernden Reparatur absehbar ist (hier zehn Monate wegen der Corona-Pandemie und den daraufhin erfolgten langen Lieferzeiten). Quelle: LG Osnabrück, Urt. v. 12.02.2025 - 5 O 2598/24
(aus: Ausgabe 06/2025)
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