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Grenzüberschreitende Erbschaft: Erbschaftsausschlagung muss landeseigenen Formerfordernissen genügen

Nach deutschem Recht ist eine Erbschaftsausschlagung nicht nur frist-, sondern auch formgebunden. Die Ausschlagung erfolgt grundsätzlich durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht oder in öffentlich beglaubigter Form durch notarielle Erklärung. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) musste sich im folgenden Fall mit der Frage beschäftigen, wessen nationales Recht für die Formvorschriften einer Erbschaftsausschlagung gelten.

Der Erblasser war niederländischer Staatsangehöriger und hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, wo er im Mai 2018 verstarb. Die ebenfalls in Deutschland wohnhafte Ehefrau beantragte bei dem zuständigen Nachlassgericht die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins zusammen mit zwei Neffen des Erblassers, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden hatten. Die Neffen hatten nach niederländischem Recht bei dem zuständigen Bezirksgericht eine Erklärung über die Ausschlagung der Erbschaft abgegeben und dieses Schriftstück in niederländischer Sprache an das Nachlassgericht in Deutschland übersandt. Dieses teilte den Neffen mit, dass die Erklärung mangels Übersetzung in die deutsche Sprache nicht berücksichtigt werden könne. Das Nachlassgericht erteilte daher den Erbschein unter Berücksichtigung der Neffen. Diese wandten sich mit einer Beschwerde gegen diesen Beschluss. Das Nachlassgericht wies die Beschwerde mit der Begründung zurück, die Erbschaft sei nicht fristgerecht ausgeschlagen worden. Für eine wirksame Erklärung der Ausschlagung der Erbschaft hätten die entsprechenden Originalurkunden des niederländischen Gerichts fristgemäß vorgelegt werden müssen.

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens legte das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) den Fall dem EuGH mit der Frage vor, ob für die form- und fristgerechte Ausschlagung einer Erbschaft auf das Recht des Mitgliedstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Erben oder auf das des Erblassers abzustellen ist.

Der EuGH antwortete, dass im Sinne einer Vereinheitlichung des europäischen Rechts innerhalb der Mitgliedstaaten eine von einem Erben vor einem Gericht seines gewöhnlichen Aufenthalts abgegebene Erklärung über die Ausschlagung einer Erbschaft als formwirksam gilt, wenn die vor diesem Gericht geltenden Erfordernisse eingehalten werden. Für die Wirksamkeit der Erklärung ist es nicht erforderlich, dass die Formerfordernisse erfüllt werden, die in dem Mitgliedstaat des Erblassers beachtet werden müssen.

Hinweis: Das OLG wird nun eine Entscheidung über die Beschwerde unter Zugrundelegung der Entscheidung des EuGH zu treffen haben.


Quelle: EuGH, Urt. v. 02.06.2022 - C-617/20
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2022)

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