Aktuelle Rechtsinformationen

[Inhalt]
[Vorheriger Text][Nächster Text]

Zweite Rückschau beim Linksabbiegen: Grob verkehrswidriges Verhalten eines Überholenden entbindet von der doppelten Rückschaupflicht

Jeden Linksabbieger trifft prinzipiell die Pflicht der sogenannten zweiten Rückschau. Die Ausnahme dieser Regel greift nur dann, wenn der Linksabbieger in nachvollziehbarer Weise nicht mit einem von hinten kommenden Überholer hat rechnen müssen.

Ein Mann fuhr innerorts hinter zwei Fahrzeugen her. Diese verlangsamten ihre Geschwindigkeit auf etwa 20 bis 25 km/h. Nach einer Strecke von etwa 400 bis 500 m entschloss sich der hinter ihnen Fahrende, die beiden Vorausfahrenden zu überholen - zu einem Zeitpunkt, als seine Fahrbahn von der Gegenfahrbahn durch eine durchgezogene Linie getrennt war. Während des Überholvorgangs stieß er dann mit dem an erster Stelle fahrenden Fahrzeug zusammen, weil dessen Fahrer nach links auf einen Parkplatz abbiegen wollte.

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat Schadensersatzansprüche des Überholenden als unbegründet zurückgewiesen. Zwar habe der Linksabbieger die doppelte Rückschaupflicht zu beachten und eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs auszuschließen. Ein Linksabbieger kann von der Verpflichtung zu dieser zweiten Rückschau aber enthoben sein, wenn ein Überholen aus technischen Gründen nicht möglich ist oder ein Linksüberholen im besonderen Maß verkehrswidrig wäre. Wenn ein Überholen demnach fernliegt, muss sich der Linksabbiegende auch unter Berücksichtigung der gesteigerten Sorgfaltspflicht auf eine solche Möglichkeit nicht einstellen. Wer eine Kolonne überholt, muss nach den Örtlichkeiten zudem sicher sein, dass kein Vorausfahrender links abbiegen will. Hier hat der Überholende in einer unklaren Verkehrslage und bei einem durch Verkehrszeichen angeordneten Überholverbot die vor ihm fahrenden Fahrzeuge überholt und außerdem den nach links gesetzten Blinker des ersten Fahrzeugs übersehen. Der Abbiegende musste im vorliegenden Fall seinerseits nicht damit rechnen, überholt zu werden.

Hinweis: Wie das Urteil zeigt, ist der Abbiegende von der doppelten Rückschaupflicht nur befreit, wenn das Verhalten des nachfolgenden Verkehrs sich als grob verkehrswidrig darstellt. Allein das Verkehrszeichen Überholverbot oder eine Fahrstreifen- und Fahrbahnbegrenzung würden nicht ausreichen, um von dieser Pflicht befreit zu sein.


Quelle: OLG Frankfurt, Urt. v. 11.01.2017 - 16 U 116/16
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 03/2018)

[Vorheriger Text][Nächster Text]
[Inhalt]

 

[Startseite] [Archiv]