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Vorsatz statt Fahrlässigkeit: Alarm an einer Pferdekoppel schließt Vorsatz bei Geschwindigkeitsverstoß nicht aus

Wer sich in einer Notlage wähnt, muss abwägen, ob er sich deswegen über geltende Regeln im Straßenverkehr hinwegsetzt. Denn das Prinzip des Vorsatzes wird auch in Ausnahmesituationen vor den Gerichten ganz sensibel bewertet, so wie es das Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) im folgenden Fall getan hat, bei dem ein Mann um das Wohl seiner Pferde fürchtete und deswegen die zulässige Geschwindigkeit erheblich überschritt.

Der Autofahrer wurde mit 143 km/h nach Abzug der Toleranz bei erlaubten 100 km/h geblitzt. Daraufhin erging ein Bußgeldbescheid, der auch einen Monat Fahrverbot anordnete, da von einer vorsätzlichen Begehung auszugehen war. Dagegen legte der Betroffene Einspruch ein und berief sich auf eine Notstandssituation. Er habe möglicherweise nicht die notwendige Aufmerksamkeit auf die Geschwindigkeit verwendet, da an seiner Pferdekoppel ein Alarm ausgelöst worden sei und er befürchtete, dass Tiere verletzt seien. Das sei eine Fahrlässigkeit gewesen, so dass vom Fahrverbot abgesehen werden könne.

Das OLG entschied jedoch, dass durchaus von einer vorsätzlichen Tat auszugehen sei. Nach Überzeugung des Gerichts bestehen erhebliche Zweifel daran, dass dem Beschuldigten ein lediglich fahrlässiges Verhalten zur Last gelegt werden könne. Er habe angegeben, deswegen zu schnell gefahren zu sein, weil ein Alarmsystem einen Daueralarm von der elektrischen Einfriedung seiner Pferdekoppel ausgelöst hatte. Das sei in der Vergangenheit schon einmal vorgekommen. Damals hätte sich eines seiner Pferde in der stromführenden Schnur verwickelt und so wiederholt Stromschläge erhalten. Der Fahrer sei ortskundig gewesen, er habe die Geschwindigkeit erheblich überschritten und es seien mehrfach Schilder mit der Geschwindigkeitsbegrenzung aufgestellt gewesen. Das könne dem Fahrer nicht entgangen sein. Es sei daher davon auszugehen, dass er die Geschwindigkeit überschritten habe, weil er schnell zum Ziel gelangen wollte, was zumindest einen bedingten Vorsatz begründet.

Hinweis: Oberhalb einer Grenze von 40 % der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ist zudem regelmäßig davon auszugehen, dass dem Fahrer die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit nicht verborgen geblieben sein kann. Die Indizwirkung des Ausmaßes der Geschwindigkeitsübertretung auf ein (bedingt) vorsätzliches Verhalten des Fahrzeugführers kann aber durch eine entsprechende bestreitende Einlassung des Betroffenen oder das Vorliegen gegenteiliger Anhaltspunkte entkräftet werden.


Quelle: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 03.02.2022 - 1 OWi 2 SsBs 113/21
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 07/2022)

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