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Großzügigkeit nach Vertragsabschluss: Ohne lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers können Schenkungen zurückverlangt werden

Schenkungen, die Erblasser noch zu Lebzeiten an ihre Angehörigen vornehmen, führen immer wieder zu erbrechtlichen Streitigkeiten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn in einem Erbvertrag die Aufteilung des Vermögens vereinbart wurde und der Erblasser diese Aufteilung nachträglich durch Schenkungen abändern möchte.

Ein Ehepaar war Eigentümer eines großen Grundstücks, auf dem sich in einem Teil ein Wohnhaus mit Garten befand und auf dem anderen Teil eine unbebaute Wiese. In einem notariellen Erbvertrag setzte sich das Ehepaar wechselseitig zu Erben ein und bestimmte weiterhin, dass nach ihrer beider Tod einer ihrer Söhne das Grundstück erhalten sollte. Im Gegenzug sollte der Sohn im Haus der Eltern wohnen und sie im Alter versorgen. Das weitere Vermögen sollte unter den anderen Kindern zu gleichen Teilen aufgeteilt werden. Einige Jahre später teilten die Eltern das Grundstück in zwei Parzellen auf und übertrugen die Parzelle mit dem Wohnhaus unter Bestellung eines lebenslangen Wohnrechts an ihren Sohn. Nach dem Tode der Mutter übertrug der Vater auch das unbebaute Wiesengrundstück auf seinen Sohn als Schenkung. Nachdem der Vater vier Jahre später selbst verstarb, verlangten die Geschwister jedoch ihren Anteil an dem Wiesengrundstück.

Das Gericht entschied, dass die Schenkung des Wiesengrundstücks die anderen Geschwister in ihren Rechten als Vertragserbe verletzt und ihnen somit der Anteil zu übertragen ist. Die Beweisaufnahme hatte zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass in dem Erbvertrag nur die Übertragung des Hausgrundstücks vereinbart worden war und die drei Geschwister das Wiesengrundstück als weiteres Vermögen erhalten sollen. Der Vater hatte zudem auch kein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung. Die Versorgung und Pflege im Alter war bereits durch die Übertragung des Hausgrundstücks abgesichert. Für die weitere Schenkung bestand somit kein Anlass.

Hinweis: Durch einen notariellen Erbvertrag ist der Erblasser gebunden und kann nicht mehr frei über die Verteilung seines Vermögens nach seinem Tod entscheiden. Zu seinen Lebzeiten darf er zwar mit seinem Vermögen machen, was er möchte, jedoch darf er es nicht verschenken in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen. Keine solche Beeinträchtigungsabsicht und somit eine zulässige Schenkung liegt jedoch vor, wenn der Erblasser ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse für die Schenkung hatte. Die Rechtsprechung hat in verschiedenen Fällen ein solches Interesse anerkannt, zum Beispiel die Sicherung der eigenen Altersvorsorge oder die Unterstützung eines in Not geratenen Verwandten. In diesem Fall wurde das Interesse jedoch verneint. Der Fall ist allerdings noch nicht endgültig geklärt, da über die Sache nun auch noch der Bundesgerichtshof entscheiden muss.


Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 14.09.2017 - 10 U 1/17
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 04/2018)

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