Aktuelle Rechtsinformationen

[Inhalt]
[Vorheriger Text][Nächster Text]

"Ordre public" gewahrt: Halterhaftung für Straßenmaut im EU-Ausland verstößt nicht gegen deutsches Recht

Wenn sich Unternehmen oder Privatleute aus zwei EU-Mitgliedstaaten streiten, stellt sich immer wieder die Frage, welches Landesrecht zu gelten hat, denn das Recht des einen Landes darf nicht die sogenannte öffentliche (Rechts-)Ordnung des anderen gefährden. Was dramatisch klingt, ist in den meisten Fällen vielmehr eine Frage der Abwägung. Und diese musste hier der Bundesgerichtshof (BGH) durchführen, als es um die Frage ging, ob ungarisches Recht gegen das deutsche verstößt, wenn es um das Eintreiben nichtgezahlter Mautgebühren geht.

Hier klagte eine ungarische Gesellschaft, deren Geschäftszweck die Eintreibung der ungarischen Autobahnmaut ist, gegen ein im hiesigen Inland ansässiges Autovermietungsunternehmen. Der Grund: Mit vier Mietfahrzeugen der Beklagten wurde insgesamt fünfmal ein Abschnitt der ungarischen Autobahn befahren, für den auf Grundlage der ungarischen Mautverordnung eine Straßenmaut zu entrichten gewesen wäre. Und nach dem ungarischen Straßenverkehrsgesetz ist der Schuldner der Maut der Halter des Fahrzeugs. Wird die Maut nicht vor der Benutzung des Straßenabschnitts durch Kauf einer virtuellen Vignette (e-Matrica) entrichtet, ist nach der Mautverordnung eine Grundersatzmaut bei Zahlung innerhalb von 60 Tagen nach Zahlungsaufforderung zu entrichten bzw. eine erhöhte Zusatzgebühr bei Zahlung nach mehr als 60 Tagen, was den Betrag für eine vorab erworbene virtuelle Vignette jeweils um ein Vielfaches übersteigt.

Die nach dem anzuwendenden ungarischen Recht vorgesehene Alleinhaftung des Fahrzeughalters für die Bezahlung der Maut auch bei Fahrzeugüberlassung durch ein Autovermietungsunternehmen ist laut BGH durchaus mit Grundsätzen des inländischen Rechts vereinbar. Eine Anknüpfung von sogenannten Einstandspflichten an die Haltereigenschaft sei schließlich auch dem deutschen Recht nicht grundsätzlich fremd. Das zeigen beispielsweise die öffentlich-rechtlich ausgestaltete Bundesfernstraßenmaut, die zivilrechtliche Haftung eines Fahrzeughalters nach § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz und die Rechtsprechung des BGH zur zivilrechtlichen Haftung des Halters bei unberechtigt abgestellten Fahrzeugen.

Hinweis: Nach Art. 21 der Rom-I-Verordnung, die die Rechtswahl in der Europäischen Union regelt, kann die Anwendung des darin bezeichneten ausländischen Rechts versagt werden, sobald sie mit der inländischen öffentlichen Ordnung ("ordre public") offensichtlich unvereinbar wäre. Das war hier jedoch nicht der Fall.


Quelle: BGH, Urt. v. 28.09.2022 - XII ZR 7/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 12/2022)

[Vorheriger Text][Nächster Text]
[Inhalt]

 

[Startseite] [Archiv]