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Die radelnde Achtjährige: Verfügen Kinder über Routine und Verständigkeit, sind auch sie schadensersatzpflichtig

Eltern, die der Meinung sind, ihr minderjähriges Kind sei in Sachen Schadensersatzforderungen altersbedingt fein raus, sollten die folgende Argumentation des Oberlandesgerichts Celle (OLG) berücksichtigen. Denn auch ein achtjähriges Kind kann zu Schadensersatz und Schmerzensgeld verpflichtet sein, wenn es nachweislich über die erforderliche Einsicht seines Handelns verfügt.

Während eines Ausflugs mit seinen Eltern radelte ein achtjähriges Kind eine Uferpromenade entlang. Während das Kind vorwärts fuhr, sah es sich über einen längeren Zeitraum nach hinten zu den Eltern um und steuerte dabei auf eine Fußgängerin zu. Bei dem Versuch, einen Zusammenstoß mit dem sich nähernden Kind zu verhindern, stürzte und verletzte sich die Frau. Die Eltern hatten ihrerseits versucht, ihr Kind - das noch eine Vollbremsung einleitete - durch Rufe zu warnen. Die Fußgängerin nahm das Kind und dessen Eltern auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.

Das OLG hat der Fußgängerin auch beides zugesprochen. Von sieben bis 17 Jahren haften Minderjährige für solche Schäden, die sie einem anderen zufügen, wenn sie bei der Begehung der schädigenden Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht besitzen. Hier kam es darauf an, ob einem altersgerecht entwickelten achtjährigen Kind, das bereits seit seinem fünften Lebensjahr regelmäßig - auch im Straßenverkehr - Rad fährt, bewusst sei, dass es während der Fahrt nach vorne schauen und nicht über einen längeren Zeitraum nach hinten blicken darf. Wenn das Kind hätte voraussehen können und müssen, dass seine Fahrweise auf der Promenade befindliche Fußgänger verletzen könne, habe es auch die Gefährlichkeit seines Handelns in der konkreten Situation erkennen und sich dieser Erkenntnis gemäß verhalten müssen. Das OLG war davon überzeugt, dass dem Kind zum Unfallzeitpunkt bewusst gewesen sei, dass es ein Fehler ist, während des Fahrradfahrens über einen längeren Zeitraum die Blickrichtung vom Fahrweg nach hinten abzuwenden. Das konkrete Verhalten des Kindes sei auch nicht aufgrund einer plötzlich auftretenden Situation reflexhaft ausgelöst worden.

Hinweis: In der Entscheidung hat das OLG noch einmal die Voraussetzungen dafür dargelegt, unter denen Kinder für von ihnen verursachte Schäden haften. Solange sie keine zehn Jahre alt sind, haften Kinder auch nicht für Schäden durch einen Unfall mit einem Kraftfahrzeug oder im Schienenverkehr. Nach dem Gesetz (§ 828 BGB) sind Minderjährige unter sieben Jahren für anderen zugefügte Schäden nicht verantwortlich. Von sieben bis 17 Jahren können Minderjährige jedoch durchaus für Schäden haften, bei denen sie die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht haben.


Quelle: OLG Celle, Urt. v. 19.02.2020 - 14 U 69/19
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 04/2020)

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