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Notar ist kein Arzt: Bei alzheimerbedingter Testierunfähigkeit ist auch ein notarielles Testament nichtig

Ein Testament ist nur wirksam, wenn der Erblasser bei der Errichtung des Testaments testierfähig war - er also in der Lage war, die Bedeutung und Tragweite der letztwilligen Verfügung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Bei handschriftlichen Testamenten wird die Testierfähigkeit des Erblassers immer wieder in Zweifel gezogen. Ein notarielles Testament bietet grundsätzlich mehr Schutz, da der Notar als neutrale Person den Zustand des Erblassers bezeugen kann. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein notarielles Testament immer und in jedem Fall wirksam ist.

Eine Frau lebte seit dem Jahr 2004 in einem Altenheim. Im selben Jahr ordnete das zuständige Betreuungsgericht wegen fortgeschrittener Alzheimerdemenz der Erblasserin eine Betreuung für ihre Vermögensangelegenheiten an und bestimmte ihre beiden Söhne zu Betreuern. Im Jahr 2007 errichtete die Erblasserin im Pflegeheim ein notarielles Testament, in dem sie einen ihrer Söhne zum Alleinerben einsetzte. Nach ihrem Tod trug die Familie ihres anderen, bereits verstorbenen Sohns vor, dass das Testament aufgrund der Demenzerkrankung der Frau unwirksam sei.

Das Gericht wies darauf hin, dass auch betreute Personen bis zum Beweis des Gegenteils als geschäfts- und testierfähig gelten. Eine fehlende Geschäftsfähigkeit ist nicht Voraussetzung für die Anordnung einer Betreuung. In diesem Fall kam das Gericht jedoch aufgrund von Sachverständigengutachten und Zeugenaussagen unter anderem der behandelnden Ärzte aus dem Pflegeheim zu der Überzeugung, dass die Frau im Jahr 2007 nicht mehr testierfähig war. Das notarielle Testament war damit unwirksam, und die gesetzliche Erbfolge trat ein.

Hinweis: Ein Notar muss bei Beurkundung eines Testaments von Amts wegen die Testierfähigkeit überprüfen und in der Niederschrift über seine Beurkundung vermerken. Hat er Zweifel an der Testierfähigkeit, muss er die Beurkundung des Testaments ablehnen. Vor Gericht hat dies eine erhebliche Beweiskraft, und die fehlende Testierfähigkeit müsste vom Gegner erst bewiesen werden. Nichtsdestotrotz ist ein Notar kein medizinischer Fachmann und kann daher in Extremfällen die Testierfähigkeit einer Person auch falsch einschätzen, so dass ein Gegenbeweis vor Gericht möglich ist. Bestehen Zweifel an der Testierfähigkeit, sollte unmittelbar vor Errichtung eines (notariellen) Testaments ein Attest des behandelnden Arztes eingeholt werden.


Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 13.07.2017 - 10 U 76/16
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 03/2018)

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