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Sittenwidrigkeit eines Pflichtteilsverzichts: Für eine Übervorteilung bei einem Pflichtteilsverzichtsvertrag müssen gewichtige Gründe sprechen

Die Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichts ist ein beliebtes Mittel, um Vermögenswerte zusammenzuhalten und nicht unter den Abkömmlingen zu zersplittern. Teilweise wird so ein Verzicht jedoch bewusst zum Nachteil der Abkömmlinge geschlossen, um dabei ihre emotionale und finanzielle Abhängigkeit gezielt auszunutzen.

Eine Frau vereinbarte im Alter von 20 Jahren mit ihren Eltern notariell einen Pflichtteilsverzicht. Im Gegenzug erhielt sie im Zusammenhang mit ihrer Eheschließung am selben Tag ein Hausgrundstück und eine vollständige Wohnungseinrichtung inklusive Wäscheausstattung. Sie war kurz vorher für volljährig erklärt worden, was nach damals geltendem Recht erforderlich war, um heiraten zu können. Die Mutter verstarb einige Jahre später, der Vater erst im Jahr 2016. Nach seinem Tod machte die Frau nun geltend, dass der Pflichtteilsverzicht sittenwidrig war, weil sie damals von ihren Eltern zu diesen Schritten gedrängt wurde und aufgrund ihrer Jugend und Unerfahrenheit die Bedeutung des Verzichts nicht verstanden habe.

Das Gericht wies darauf hin, dass ein Pflichtteilsverzichtsvertrag sittenwidrig sein kann, wenn das fehlende Verständnis, das mangelnde Wissen oder die Unerfahrenheit des Verzichtenden bewusst ausgenutzt werden oder sich eine objektive Unausgewogenheit aus der mit ihm zusammenhängenden Gegenleistung ergibt. In diesem Fall sah das Gericht jedoch keine Anhaltspunkte dafür. Dass die Frau auch insbesondere erstmals nach dem Tod des Vaters - und damit 46 Jahre nach dem Pflichtteilsverzicht - und nicht etwa schon nach dem Tod der Mutter Jahre zuvor die Unwirksamkeit ihres Pflichtteilsverzichts geltend gemacht hatte, sah das Gericht als ein gewichtiges Indiz dafür an, dass sie nicht in sittenwidriger Weise zu dem Verzicht verleitet worden war.

Hinweis: Ein Pflichtteilsverzichtsvertrag kann - wie andere Verträge auch - noch zu Lebzeiten aller Beteiligten wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung angefochten werden. Nach dem Tod des Erblassers kann dann nur noch vorgetragen werden, dass der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist. Zum Schutz vor übereilten Entscheidungen sollte ein solcher Verzichtsvertrag daher zwingend notariell beurkundet werden.


Quelle: LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 23.03.2018 - 6 O 6494/17
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 09/2018)

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